Im Ergänzungsfach Philosophie haben wir im ersten Semester unter anderem das Thema Meinungsfreiheit angeschaut. Also, was die Meinungsfreiheit überhaupt ist, was sie darf, und was eben nicht. Wir haben vor allem im Plenum darüber diskutiert – unsere EF Philosophie Klasse besteht nur aus sieben Personen und somit ist es sehr einfach, Themen in der Gruppe auszutauschen. Doch in der Klasse herrschte Uneinigkeit: Die einen waren der Ansicht, dass Meinungsfreiheit keine persönlichen Angriffe rechtfertigt, die anderen betonten, dass gerade provokante oder kritische Äusserungen ein wesentlicher Bestandteil der Meinungsfreiheit sind. Und aus diesem Grund mussten wir einen kleinen Aufsatz schreiben. Einen Aufsatz über die Frage, was denn Meinungsfreiheit eigentlich darf. Ich verwende einen kleinen Teil dieses Aufsatzes als Vorlage für meine Weiterentwicklung des Themas. Denn beim damaligen Recherchieren stieß ich auf einen Satz, der mich zum Nachdenken brachte: Ein Junge schrieb Folgendes: „Die Meinungsfreiheit haben wir, nun fehlen noch die Gedanken.” Dieser Satz fasziniert mich noch heute und ist der Anlass für meine eigenen Gedanken, die ich in diesem kleinen Aufsatz niederschreibe.
Die Meinungsfreiheit, also das Recht seine Meinung frei äussern zu können, ist ein grundlegendes Menschenrecht. Die Meinungsfreiheit garantiert uns alles - in rechtlichen Schranken versteht sich - zu sagen, ohne rechtliche Konsequenzen zu fürchten. Die Meinungsfreiheit ist eine der wichtigsten Errungenschaften demokratischer Staaten, da sie die Individualität eines jeden Einzelnen schützt und sicherstellt, dass verschiedene – zum Teil auch konträre – Meinungen toleriert werden.
«Die Meinungsfreiheit haben wir, nun fehlen noch die Gedanken.» Dieser Satz eines Jugendlichen zum Thema Meinungsfreiheit als grundlegendes Menschenrecht stellt ein zeitgenössisches Dilemma dar. Die rechtlichen Grundlagen der freien Meinungsäusserung sind durch die Verfassung gegeben, doch fehlt es der Gesellschaft zunehmend am Wichtigsten für eine Äusserung der persönlichen Meinung: den Gedanken. Die Gedanken bilden das Fundament eines Menschen für persönliche Meinungsäusserung. Ohne Gedanken kann kein logisches Argument, keine Diskussion, kein Satz gebildet werden. Kurz gesagt: Ohne Denken bringt die Meinungsfreiheit auch nichts.
Dass die Gesellschaft nicht mehr fähig ist zu denken, ist wenig überraschend. In der heutigen Zeit wird nicht mehr das Denken, sondern das Kopieren von fremden Gedanken und das Auswendiglernen gelehrt und gelernt. Anstatt Denksysteme zu fördern, die zur Schaffung neuen Wissens führen, wird ein Ansatz des Kopierens verfolgt, der nur bestehendes Wissen umformt. Dies ist unter anderem beim Lernen sichtbar, denn häufig werden Fakten auswendig gelernt, anstatt das Thema zu verstehen. Wir als Gesellschaft sind somit nicht mehr fähig, eigene Gedanken zu formen. Und das stellt sich als grösster Feind der Meinungsfreiheit heraus. Nicht diktatorische Regime, die das Denken uniformieren wollen, sind der grösste Feind der Meinungsfreiheit, sondern die Gesellschaft, die verlernt hat, zu denken.
Zurück zur Meinungsfreiheit: Ich halte sie für eine der größten Errungenschaften der modernen Gesellschaft. Sie erkennt die Einzigartigkeit jedes Menschen an, indem sie ihm erlaubt, seine Meinung frei zu äußern. Deshalb ist es eine zentrale Aufgabe der Gesellschaft, dieses Recht mit allen verfügbaren Mitteln zu schützen. Würde es uns genommen, drohten dystopische Zustände wie in George Orwells 1984. Wir wären nicht länger Individuen mit eigenständigem Denken, sondern bloße Produkte eines vorgegebenen Dogmas.
Eine freie Gesellschaft muss daher auch Provokationen aushalten, die aus dem Recht auf freie Meinungsäußerung resultieren. Doch genau das gelingt ihr oft nicht. So geriet in Schweden dieses Grundrecht zeitweise in Kritik, nachdem ein irakischer Flüchtling öffentlich einen Koran verbrannte – eine Handlung, die zwar gesetzlich erlaubt war, aber insbesondere unter muslimischen Bürgern für Empörung sorgt. Aber auch Vorfälle wie diese müssen toleriert werden, da sie den Kern der Meinungsfreiheit ausmachen: das Recht, Ansichten zu äussern, die andere möglicherweise als anstössig oder provokativ empfinden. Denn Meinungsfreiheit bedeutet nicht, nur beliebte oder gesellschaftlich normierte bzw. akzeptierte Meinungen zu äussern, sondern gerade auch jene, die kontrovers sind, solche, die anstossen. Nur durch den Schutz solcher Handlungen oder Äusserungen bleibt eine Gesellschaft pluralistisch und facettenreich. Jegliche Einschränkung dieser Freiheit birgt die Gefahr, dass sich schleichend eine Zensurkultur etabliert, die letztlich die Grundlagen einer freien und demokratischen Gesellschaft untergräbt.